Über die Darstellung von Kannibalen in Unterhaltungsmedien

Mann, bei der Überschrift hab ich mir echt einen abgebrochen!

Eigentlich ist der Sachverhalt ganz einfach, meiner Meinung nach aber nicht nachvollziehbar. Zumindest nur in geringem Maße nachvollziehbar. Streng genommen sogar etwas rassistisch. Aber eins nach dem anderen.

Nehmen wir mal einen durchschnittlichen Horrorfilm. Kein Gruselfilm. Wir nehmen einen von den richtigen Horrorfilmen, die in Deutschland zumeist keine Freigabe der FSK bekommen.

Hinweis zu Freigaben und FSK
Die FSK ist die Prüfbehörde für Filme und Serien in Deutschland und vergibt Freigaben für die Heimkinoveröffentlichung, also DVDs und BDs. (Ja, auch für’s Kino aber hier gelten ein paar Sonderregeln.) Jedenfalls kann die FSK einem Medium die Freigabe auch verweigern. Das passiert meistens, weil eine Juigendgefährdung aufgrund von Gewalt vermutet wird. Das Label kann gegen dieses Urteil Berufung einlegen und den Titel erneut testen lassen. Jede Prüfung kostet aber Geld. Und wahrscheinlich nicht sonderlich wenig. Nach der Berufung kann die FSK aber manchmal dazu überredet werden, doch noch eine FSK 18 zu vergeben. Das ist für ein Label wichtig, damit das Medium beworben und offen im Händlerregal stehen darf. Wenn die FSK aber keine Freigabe erteilt, bleibt nur noch der Weg zur Juristenkommision der SPIO oder kurz SPIO/JK.

Dort wird von einer Gruppe Juristen geprüft, ob eine strafrechtliche Relevanz, meist nach § 131 StGb (Gewaltverherrlichung) besteht. Sollte dies nicht der Fall sein, kann die SPIO/JK eine von zwei Freigaben erteilen: „keine schwere Jugendgefährdung“ (das „leichte“ Siegel, mit dem der Film in Deutschland vertrieben aber nicht beworben werden darf) oder „strafrechtlich unbedenklich“ (das „schwere“ Siegel, wodurch das Produkt nicht mehr offen verkauft werden darf). Beide Freigaben schützen aber nicht vor einer Indizierung, also vor einem endgültigen Verkaufsverbot. Indizierte Filme können zudem, nach der Prüfung durch ein Amtsgericht, von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) beschlagnahmt werden. Bedeutet, die Filme werden von den Händlern wieder zurückbeordert und man muss sich sein Exemplar importieren (meistens aus Österreich, um eine deutsche Tonspur zu bekommen).

Da all diese Prüfungen viel Geld kosten und manche Label keine Lust haben, intensiv mit der FSK zusammenzuarbeiten, um die korrekten Schnitte und Zensuren für eine FSK 18 Freigabe durchzuführen, wird teilweise eigenhändig im Vorfeld geschnitten, um eine Freigabe zu garantieren. Aus Angst vor Folgekosten wird oft großzügiger und mehr geschnitten, als bei einer Absprache mit der FSK nötig gewesen wäre. So fehlt dem deutschen Kunden oft mehr als nötig gewesen wäre.

Ein solcher Film ist in Sachen Gewalt meist nicht zimperlich und hält mit der Kamera in ekligen und brutalen Szenen noch genau die paar Sekunden länger drauf, damit es richtig weh tut, zuzugucken. Und in Filmen mit Kannibalen sieht man dann auch deutlich, wie die Leute sehr blutig und eklig zubeißen und ihr Mahl genießen. Doch genau hier stellt sich mir die Frage, warum sie es überhapt so blutig wollen.

Denkt mal drüber nach – nur weil ich kein Vegetarier bin, möchte ich doch nicht mein Schwein selber zu Tode beißen, sein Blut trinken und dann das rohe Fleisch fressen. Kannibalen werden in Medien aber immer als blutrünstige Rohfleischfresser dargestellt. Natürlich ist Kannibalismus nicht gern gesehen aber warum können sie nicht genau so wie jeder andere nicht-Kannibale auch, sein Fleisch gebraten oder gekocht mögen? Warum denn immer roh? Das hat doch mit Menschenfleisch nichts zu tun und ist auch kein elementarer Teil der Definition von Kannibalismus! Also woher kommt dieses roh Verspeisen? Oder was vielleicht viel wichtiger ist – warum wurde nie gezeigt, wie jemand eine richtige Mahlzeit aus Menschen herstellt? Tja – das wurde aber schon gezeigt. Und zwar mehrere Male!

Hannibal Lecter ist eine große Figur der literarischen und filmischen Geschichte. Als Kind im Weltkrieg wurde sein Haus von feindlichen Soldaten gestürmt und diese haben, um dem harten Winter und dem undurchdringaberen Sturm vor der Tür zu trotzen, Hannibals kleine Schwester gegessen. Es gab anscheinend keine Alternative. Auch Hannibal selber bekam von ihr zu essen, ohne es zu wissen. Hier wurde also ein Mensch auf eine Art und Weise zubereitet (also evtl. gebraten oder gekocht) sodass ein Kind, welches es nicht besser wusste, keinen Unterschied zu Rind- oder Schweinefleisch bemerkte. Er hatte keinen Grund, zu zweifeln. (Wo denn nun seine kleine Schwester abgeblieben war und warum sie nicht von dem leckeren Fleisch kosten konnte, war eine Frage, die ihn erst später beschäftigte.) Jedenfalls wurde er (aus Rache?) zu einem Fulltime-Kannibalen. (Diese Transformation habe ich bis heute nicht so richtig verstanden.)

Im Verlauf seines Lebens wurde Hannibal ein echter Feinschmecker. Ein Künstler am Herd, der ständig irgendwelche großartigen Gerichte kochte und nie etwas Gewöhnliches aß. (Auch hier fehlt mir etwas Wissen – warum wurde er ein Feinschmecker und wo hat er gelernt, zu kochen?) Aber unabhängig davon, ist Hannibal Lecter kein Kannibale, der einfach so rohes Menschenfleisch verspeist, sondern ein Kannibale, der sich die größte Mühe gibt, ein schmackhaftes Essen zu zaubern. Und er ist oft nicht allein, sondern bekocht seine unwissenden Freunde und gibt ihnen Menschenfleisch zu essen. Natürlich ist das genauso krank, wie Menschen einfach roh zu mampfen aber irgendwie erscheint es mir … zivilisierter.

Ich möchte nun schlussendlich also die Filmemacher bitten, Kannibalen nicht immer so einseitig darzustellen. Sie sind ja keine Zombies, die ihre Beute noch selber reißen müssen. Sie mögen den Geschmack menschlichen Fleisches. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch gerne Blut trinken. Fragt mal Hannibal Lecter.

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