Das vibrierende Ungeheuer

Wer mir auf Twitter folgt – nein, dies ist nicht der Beitrag, den ich vor einigen Stunden ankündigte. Unvorhergesehene Ereignisse sind vorgefallen und haben meine eigentliche Story für heute verdrängt. Wie dem auch sei:

Als ich das letzte Mal eine Zahnbürste kaufte, war ich etwas in Eile. Oder besser gesagt: Ich war mit den Gedanken schon wieder bei der nächsten Dienstreise. Ich bin also, blind wie ich bin, durch meinen normalen Supermarkt und kaufte eine Zahnbürste, wie ich es schon etliche Male zuvor getan hatte. Ich war schon oft dort, meist mehrere Male pro Woche, und weiß, wo sich was befindet. Ich bin niemand, der lange im Laden steht und groß überlegt, was er kaufen soll. Vorher einen Plan machen; rein, raus, fertig.

Diese Vorgehensweise bringt mit sich, das bisweilen falsch getätigte Einkäufe erst daheim auffallen. Und grundsätzlich öfter vorkommen. So war es auch mit meiner letzten Zahnbürste. Aus einem unbekannten Grund enthielt dieses scheinbar völlig normale, händisch betriebene Produkt, einen Knopf, mit dessen Betätigung der ganze Apparat zu vibrieren begann.

Es handelt sich per se nicht wirklich um eine elektrische Zahnbürste, obwohl man sie so nennen könnte. Aufgrund des fest montierten Kopfes vibriert eben nicht nur dieser, sondern der Griff ebenfalls. Dazu kommt, dass der Knopf wirklich schwer zu betätigen ist (nicht zuletzt wegen diversen Dichtungen Zwecks Wasserfestigkeit) und er auch noch festgehalten werden muss. Da es sich, wie bereits erwähnt, um eine Vibration des gesamten Korpus handelt, stellt sich meiner Meinung nach auch keine bessere Reinigung ein, sondern man hat durch die zusätzliche Bewegung überhaupt kein Gefühl mehr dafür, wo man sich überhaupt befindet, wenn man sie führt. Oben drauf gibt es eine Art Taubheitsgefühl. Alles in allem ein durchaus schlechtes Produkt. Aber man muss diese Funktion ja nicht verwenden. Auch gut. Bisschen unhandlich das Ding aber was soll’s.

Die Reise kam und sie verging wieder, bis ich ein zweites Mal verreisen musste. (Die Intervalle meiner Reisen folgen Schlag auf Schlag und es gibt bisweilen ein freies Wochenende. Daher die Unterbrechung und eine weitere Anreise.) Wie auch immer – die zweite Abreise kam, wie üblich an einem Montag, nachdem ich am Freitag davor angereist war. Bei dieser Anreise am Freitag wurde meine vibrierende Zahnbürste in meiner Tasche scheinbar etwas beschädigt. Der Knopf hatte gar keinen Widerstand mehr und die Bürste vibrierte, wann es ihr passte. Manchmal hing es von ihrer Position ab (aufrecht oder kopfüber) und manchmal einfach von dem Luftdruck oder was weiß ich. Der Punkt ist – sie war unberechenbar!

Ich reise im ICE.
Ich habe einen Zahnputzbecher aus Glas.

Meine Bürste befand sich im Glas in meiner Reisetasche und beim Platzieren meiner Tasche auf der Ablage über den Sitzen, begann meine Bürste damit, unkontrollierbar zu vibrieren und fand in dem gläsernen Becher einen wunderbaren Anschlag- und Resonanzkörper. Ja, es klang wie ein Vibrator. Und das im Ruhewagon, wo es WIRKLICH ruhig ist.

Ich stand also da und versuchte, das Vibrieren, das aus meiner Tasche drang, möglichst unauffällig in den Griff zu bekommen. Ein paar mal gerüttelt, ein paar mal geschlagen und irgendwann war Ruhe. Ich hab mich einfach darauf verlassen, dass die gedämpften Töne des Zuges an sich die ominösen Geräusche aus meiner Tasche übertönen. Ein paar Minuten lang hörte ich das Geräusch immer noch, wie in einer Wahnvorstellung. Kam mir vor wie Phantomschmerz, nur mit Geräuschen. Irgendwann verblasste das auch. Zu diesem Zeitpunkt hoffte ich einfach, das bald die Batterie leer war. War sie nicht.

———–

Ein paar Tage später kam ich am Abend mit meinen Kollegen von der Baustelle zurück, ging ins Bad und fand dort Scherben vor. Zunächst – große Verwirrung. Wo kommen die her? Niemand war hier. Dann sah ich, dass mein Zahnputzbecher(/-glas) verschwunden war. Ich habe eine Theorie, was passiert ist:

Meine besessene Bürste stand im Glas und fing an, einfach so aus heiterem Himmel, während ich arbeiten war, zu vibrieren. Scheinbar so lange und so unnachgiebig, dass das Glas, in dem sie stand, immer weiter zur Kante rutschte und schließlich auf den Boden fiel, wo es zerschmetterte.

Ich habe also eine Zahnbürste gekauft, die ich nie haben wollte und nachdem sie mich geärgert, genervt und blamiert hatte, zerstörte sie auch noch mein Eigentum und sie hatte nicht mal genug Eier, um es zu tun, während ich anwesend war.

Fuck.

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Das ist ja wie in Stephen Kings „Rhea M – Es begann ohne Warnung“ (NICHT anschauen – echt nicht – das währen die verschwendedsten 90Minuten Deines Lebens)

Aber – Ja – So in etwa würde es anfangen.