Jeder Mitbürger, der in den letzten zehn Jahren zumindest einmal Urlaub an einem sonnigen Südseestrand gemacht hat, kennt eine ganz spezielle Sorte von Tourist. Es handelt sich hierbei um die Menschen, die es nicht akzeptieren können, auf ihr ihrer Meinung nach angeborenes Recht auf einen Liegenplatz am Strand oder am Pool zu verzichten. Diese besondere Spezies hat es sich zur Aufgabe gemacht, um diese Liegenplätze zu kämpfen. Doch da selbst diese Kreaturen im Urlaub sind, suchen sie nicht den offenen Kampf, sondern sind mit hinterhältigen Tricks unterwegs.
Entgegen der allgemeinen Annahme gibt es kein schriftlich verankertes Gesetz, welches besagt, dass eine Liege an einem örtlich natürlich entstandenen oder eben auch künstlich erzeugten Gewässers unumgänglich reserviert ist, sobald jemand sein Handtuch darauf platziert hat. Und dennoch wird dieser Umstand gemeinhin als Tatsache hingenommen. So kommt es, dass die feigen Urlauber, die nicht auf ihren Platz verzichten wollen, geschickt ein Handtuch drappieren, noch bevor die anderen Gäste wach geworden sind. In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich, wie bereits zu Beginn erwähnt, im Urlaub befinden, muss man sich fragen, ob dieses Ritual tatsächlich Urlaubsfeeling aufkommen lässt.
Kurios wird es dann aber, wenn sie nicht nur eine Liege reservieren, sondern auch noch ganz explizit auf den Standplatz eben dieser Liege achten. Üblicherweise möchte man annehmen, dass die schattigen Plätze für die verweichlichten Mitteleuropäer anziehender sind als solche in der prallen Südseesonne. Und doch gibt es sie. Die Menschen, die sich ganz bewusst und mit Nachdruck einen Sonnenplatz sichern. Denn zu ihrem Urlaubsfeeling gehört nicht nur, sich am frühen Morgen im Schutze der nächtlichen Dunkelheit durch ein schlafendes Hotel zu schleichen und mit unglaublicher Genugtuung Stoffwaren zu hinterlassen, sondern auch, sich einen gehörigen Sonnenbrand abzuholen.
Natürlich ist der eigentliche Gedanke eher hin zur natürlichen Bräune und weg vom Sonnenbrand ausgerichtet, doch manchmal lässt sich das einfach nicht vermeiden. Aber jeder, der schon einmal einen Sonnenbrand hatte, weiß, dass die Schmerzen nur von relativ kurzer Dauer sind und sich zumeist unter der sich abpellenden Haut tatsächlich ein gewisser Bräunungsgrad wiederfinden lässt. Die Frage ist nun, ob all dieser Aufwand eine etwas dunklere Haut wirklich wert ist. Zumal ist dieser Effekt nicht von Dauer! Doch verzagt nicht, meine Freunde! Ich habe eine Lösung gefunden, die euch regelmäßig eine gebräunte Haut verleiht, ohne dass ihr irgendwo hin verreisen müsst oder auch nur Geld dafür bezahlen müsst. Ganz im Gegenteil – ihr werdet dafür bezahlt werden!
Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Wenn das Sonnenanbeten ein Hobby ist (wenn auch ein kostspieliges), dann sollte man einfach das tun, was alle tun wollen: Sein Hobby zum Beruf machen! Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung darf ich jetzt mit euch teilen, welchen Beruf ihr wie ausführen müsst, um ständig mit gebräunter Haut beglückt zu werden.
Zunächst sucht ihr euch einen Job als Schweißer in der Metallindustrie. Es darf auch ein Schlosser sein oder, wie der feine Herr sagt, ein Konstruktionsmechaniker. Bitte nicht mit einem Konstrukteur verwechseln! Hier wird die Schulbank gedrückt und dann im Büro gearbeitet. Merke: Büroarbeiter müssen für Bräune auf dem Körper Urlaub nehmen. Wir nicht! Wir sind intelligent und fortschrittlich!
Also, nachdem wir einen Job als (idealerweise) Schweißer angenommen haben, beginnt die dreieinhalbjährige Ausbildung. Schon in dieser kurzen Zeit können wir die Macht des Lichtbogens kennenlernen, welcher uns eine schöne Bräune verleiht, sofern wir die Sicherheitsvorschriften ignorieren und weder Jacke noch Handschuhe tragen. Mit wachsender Erfahrung steigen dann auch die Anforderungen an den Schweißer und er darf deutlich mehr schweißen und kommt oft den ganzen Tag zu nichts anderem. Sobald man mit der Ausbildung fertig ist und einem niemand mehr über die Schulter guckt, ist es Zeit, die Schutzmaßnahmen gegen den Lichtbogen endgültig fallen zu lassen und die Schweißerjacke auszuziehen!
Der vom Schweißgerät erzeugte Lichtbogen ist im Prinzip eine Stromfluss, der einen gewissen Abstand zweier Punkte über die Luft überbrückt. Wir reden von hohen Temperaturen, sehr hohen Stromstärken und natürlich von unserem besten Freund: der UV-Strahlung! Diese sorgt dafür, dass wir braun werden, jedoch auch dafür, dass wir bei übermäßigem Konsum einen Sonnenbrand bekommen. Wem das egal ist, der darf sich schon einmal darauf freuen, per MAG-Verfahrung mit um die 200 Ampere nur fünf Minuten ohne eine Jacke schweißen zu müssen und schon glühen die Unterarme vor Rötungen und bald vor Schmerzen. Doch schon bald hat sich das ausgezahlt, wenn sich die Haut pellt und darunter ein schöner brauner Hautton zum Vorschein kommt.
Für ein gleichmäßig gebräuntes Gesicht empfiehlt es sich außerdem, den Schweißerhelm, der hauptsächlich vor Erblindung schützen soll, komplett wegzulassen. Da wir hier von Blendeffekten sprechen, die stärker sind, als wenn wir direkt in die Sonne blicken würden, ist es ratsam, bei der Arbeit die Augen zu schließen. In diesem speziellen Fall ist es aber fragwürdig, wie lange man von seinem Vorgesetzten geduldet wird, da die Qualität der eigentlichen Arbeit doch stark nachlassen wird. Diese Technik ist daher mit Vorsicht zu genießen und nur in größeren Abständen anzuwenden.
Also was wollt ihr – vier bis fünf Jahre eures Lebens dafür arbeiten, dafür bezahlt zu werden, beständig die Sicherheitsregeln eures Berufs zu ignorieren und früher oder später Hautkrebs zu bekommen oder sich in der Nacht mit einem Handtuch eine Liege reservieren und dafür auch noch teures Geld bezahlen? So gesehen stinken beide Möglichkeiten gehörig zum Himmel.