Manchmal überlegt man nach dem Sichten eines Filmes, welch kranke Gedanken der Regisseur zur Erstellung dieses Machwerks haben musste. Hier könnte man spekulieren und ich bin der Meinung, ein Mann, der einen kontroversen Film nach dem nächsten abliefert, ist intelligent genug zu wissen, dass seine Werke auf der ganzen Welt Probleme und deshalb bei manchem Fan größere Aufmerksamkeit bekommen werden. Bei Tom Six geht diese Rechnung auf, hat er uns doch mit „The Human Centipede (First Sequence)“ einen Streifen vorgesetzt, den man schlicht als krank ansehen kann. Wie kommt man bitte auf solche Ideen? Noch obskurer wird es aber, wenn man sich genauer mit dem Thema und dem Coverschriftzug „100% medically accurate“ beschäftigt. Dieser und die Extras besagen nämlich, dass am Set ein Chirurg anwesend war, der bestätigte, dass alles geziegte so zu 100% medizinisch umsetzbar wäre.
Da stehen wir also nun, mit einem Film, der uns schockiert und geekelt hat und das obwohl er im Bezug auf die Handfertigkeiten des Dr. Heiter (gespielt von Dieter Laser) sehr sauber ausgeführt wurde. So bekamen die Patienten stets eine Vollnarkose, obgleich wir bei der Operation hautnah dabei waren. In der Fortsetzung „The Human Centipede 2 (Full Sequence)“ ändert sich das jedoch alles, denn dieses Mal steht vorne auf der Packung „100% medically inaccurate“. Das lässt nichts Gutes hoffen, denn wie soll eine sehr unkonventionelle, von einem Profi auf seinem Gebiet durchgeführte Operation aussehen, wenn sie ein Laie durchführt? Nach dem Abspann wissen wir es.
„The Human Centipede 2 (Full Sequence)“ spinnt ein außergewöhnlich cleveres Netz, um die im ersten Teil verstorbenen Darsteller (teilweise) wieder mit einzubringen. So stellt sich nämlich gleich zu Beginn heraus, dass der erste Teil nur ein Film war. Ach was! Aus diesem Grund sind die Darsteller aus dem ersten Teil innerhalb des zweiten Teils auch nur Schauspieler und leben dementsprechend natürlich noch. Ein sehr cleverer Schachzug, bedenkt man doch, dass der im ersten Teil verstorbene Dr. Heiter in Form von Dieter Laser im dritten Teil wieder auftauchen soll. So hielt man sich bei Six Entertainment alle Türen weit offen, ihren prunkvollen Hauptdarsteller erneut auf die Massen loszulassen. Doch kommen wir zurück zum eigentlichen Film.
In den ersten Szenen (der Film verschwendet keine Zeit mit Vorgeplänkel) geht es schon richtig zur Sache, doch alles geschieht außerhalb des Bildschirmes. Erst nach einer schicksalhaften Szene ändert sich dieser Umstand und es wird stets voll draufgehalten, wenn der Psychopath Martin seine Opfer bearbeitet und z.B. Zähne nicht etwa unter Narkose fachmännisch zieht, sondern bei vollem Bewusstsein grobmotorisch mit einem Hammer ausschlägt. Seine Betäubung hieß in diesem Fall: Brechstange auf den Hinterkopf. Hält leider nicht sehr lange vor. Und da er nicht sonderlich gut mit Skalpell, Nadel und Faden umgehen kann, schnappt er sich einfach einen Tacker. Eines muss man ihm aber lassen: Er weiß sich stets zu helfen. Die Effekte sind übrigens auf höchstem Niveau.
Was den ganzen Film visuell sehr aus der Masse herausstechen lässt, ist die Tatsache, dass er in altmodischem schwarz-weiß daherkommt. Ja! Ein Horrorfilm, in dem Blut und andere Körperflüssigkeiten spritzen, schockiert selbst in Grautönen. Obwohl wir in zwei bis drei, nur wenige Sekunden langen Szenen Brauntöne vernehmen dürfen. Was da genau spritzt, darf sich jeder selber denken. Ich bin sogar der Meinung, in einer Szene blitzte kurz ein Blutfleck rot auf, doch ich bin mir nicht sicher.
Wie schon im ersten Teil wurde auch in der Fortsetzung großen Wert auf die Hauptrolle gelegt, denn diese agiert praktisch alleine und muss alles rüberbringen. Hier hat sich Tom Six einen Darsteller rausgesucht, der schon verrückt aussieht, wenn er nicht auf Psychopath getrimmt wurde. Zudem ist dessen Hintergrundgeschichte ähnlich der des Dr. Heiter intelligent gestrickt und angesichts der Peinigungen, die Martin wärend seines Lebens ertragen musste und immer noch muss, ist es nicht verwunderlich, dass er verrückt geworden ist. Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass er wärend des ganzen Films nicht ein einziges Wort spricht und dennoch die Rolle mit einer tollen Tiefe ausstattet. Bisweilen hat man sogar Mitleid mit dem armen Martin und kann seine Handlungen zumindest ansatzweise nachvollziehen.
Unklar bleibt jedoch, wie es nun weitergeht, denn das, was Martin da hinterlassen hat, kann unmöglich sonderlich lange unentdeckt bleiben. Außerdem gab es eine Flüchtige. Es bleibt also genug Stoff für einen dritten Teil, der vielleicht sogar noch dieses Jahr erscheinen wird. In diesem Fall dauert es aber mindestens noch ein halbes oder dreiviertel Jahr, bis man ihn schließlich ungekürzt gucken kann. Wie dem auch sei, der zweite Teil ist ordentlich aber wieder einer der ganz, ganz harten Sorte. Und damit bekommt er von mir auch 84%.