(Kleine Anmerkung zu Beginn: Die zwei Bilder weiter unten sind in Spielgrafik und keine vorgerenderten Wallpaper. Die Sprachausgabe ist nur auf englisch, schadet dem Spiel aber in keinster Weise. Abseits der besonderen Thematik und dem damit verbundenen Setting für Erwachsene ist es auch sehr brutal. Story-Spoiler sind in diesem Text nicht enthalten, höchstens kurze Anekdoten zur ersten Spielstunde.)
Hellblade hat mit mehreren Punkten schon vor dem Release Aufmerksamkeit erregt. Zunächst war da natürlich das Setting, welches psychologische Störungen, sowie Schizophrenie behandelt. Das ist natürlich zu einem großen Teil, was das Spiel ausmacht, doch der zweite Punkt ist auch nicht zu verachten. Leider weiß ich nicht, wie ich diesen Punkt nennen soll, denn es gab mehrere Bezeichnungen wie „Triple I“ oder „Indie AAA“.
Was damit gemeint ist, ist der Umstand, dass Hellblade von einem Indie-Studio entwickelt wurde, nach außen hin aber wie eine AAA-Produktion wirkt. Wie ist das möglich? Indem die Spielzeit verkürzt wird. Hellblade vereint modernste Technik, tolles Gameplay und fantastische Grafik und verpackt sie in einer etwas kürzeren Kampagne, als man es erwarten würde und kostet im Endeffekt nur die Hälfte – 30 €. Diese Rechnung geht mehr als nur auf und bietet ein Technik- und Grafikfeuerwerk der neuesten Generation! Ja, Hellblade sieht verflucht gut aus und läuft butterweich! (Ich hab übrigens acht Stunden bis zum Ende gebraucht. So viel zu „kürzer Kampagne“.)
Aber macht es auch Spaß? Das ist tatsächlich eine schwierige Frage.
Hellblade spielt mit dem Spieler. Die Hauptperson, Senua, leidet unter starken psychologischen Störungen, Wahnvorstellungen, Verfolgungswahn, Schizophrenie und anderen mentalen Erkrankungen, für deren korrekte Aufzählung und Diagnose ich nicht geschult wurde. Fakt ist: Sie hört während des kompletten Spiels Stimmen in ihrem Kopf. Natürlich hört der Spieler diese auch und hier zeigt sich an sehr vielen Stellen, warum das ein Problem für Senua ist und wie sehr sie darunter leidet. Natürlich ist dies auch ein fortschreitender Umstand, doch der Ernst der Lage wird schon nach kurzer Spielzeit klar.
Wir alle haben schon neue Spiele begonnen und wir alle wissen, dass man zu Beginn noch ein bisschen unbeholfen rumstolpert. So ging es mir in Hellblade auch, welches übrigens ohne jedes Interface auskommt. Auch ein großer Pluspunkt in Richtung Atmosphäre. Jedenfalls ist die Steuerung und das Verhalten von Senua etwas anders als in anderen Spielen. So gibt es z.B. keine Sprung-Taste. Jetzt muss ich, nachdem ich das Ende gesehen habe auch sagen, dass dieses Spielelement viel vom allgemeinen Feeling kaputt gemacht hätte. Jedenfalls – zurück zu den ersten Spielminuten.
Hier bietet sich dem Spieler ein kleiner Vorsprung in einer Höhle, den man hinter sich lassen muss. Zumindest ich habe an diesem Punkt etwas gezögert, weil mir nicht angezeigt wurde, wo ich hin soll oder was ich zu tun habe. Ich war mir also unsicher, ob ich da wirklich runterspringen soll, zumal ich nicht springen kann, um wieder hochklettern zu können. Ich war also unsicher. Trotzdem sprang ich herunter, kam wohlbehalten an und sofort meldeten sich die Stimmen in Senuas Kopf: „Warum ist sie da runtergesprungen? Das war ein Fehler! Das hätte sie nicht tun sollen! Was will sie denn dort?“ Diese Sätze überschlagen sich, die Stimmen überlagern einander, stets begleitet von höhnischem Lachen. Senuas Stimmen machen sich über sie lustig und das Spiel selber über mich. Und wenn dieser Moment noch so klein und kurz war – er tut sehr viel für die Atmosphäre!
Doch die Stimmen sind nicht immer Senuas Feind. Naja, eigentlich schon aber da sie ihre ständigen Begleiter sind, scheint es ihnen in manchen Situationen wichtig zu sein, dass Senua nicht stirbt. So bekommen wir in Kämpfen immer wieder zugeflüstert, wir sollen aufpassen oder dass sich hinter uns ein Feind positioniert hat und gerade zum Schlag ausholt. Diese Punkte schaffen eine Art Verbundenheit und sorgen dafür, dass man sich nie alleine fühlt. Das ist cool und gleichzeitig verdammt gruselig. Vor allem ist es aber im Bezug auf das Gameplay äußerst geschickt eingefädelt, da wir mit unseren verschiedenen Sinnen kämpfen können und praktisch eine zweite Chance auf einen Konter bekommen, wenn wir nicht aufmerksam waren.
Wahrscheinlich wäre es gleich zu Beginn wichtig gewesen aber – Hellblade hat keine deutsche Sprachausgabe. Wer kein englisch kann, muss in den Untertiteln mitlesen. Was aber auch nicht dramatisch ist, denn bisweilen sind die Stimmen stark verzerrt (absichtlich) und man versteht sie mitunter eh nicht so genau. Das ist aber ein bewusstes Stilelement und es kann gar nicht intensiv genug betont werden, wie großartig die Sprachausgabe ist. Die Stimmen in ihrem Kopf, Senua selbst, diverse andere Charaktere – alles hat Emotionen, alles klingt authentisch, alles lebt! Hellblade zuzuhören macht unglaublich viel Spaß und es anzusehen ebenfalls!
Hin und wieder zeigt sich Senuas Krankheit nicht nur akustisch, sondern auch optisch, wenn sich die Welt verzerrt, Dinge auftauchen und wieder verschwinden und Monster sich manifestieren. Das klingt fast comic-haft albern wie in Don’t Starve, ist aber abgesehen von den tollen Effekten her sehr unangenehm zu betrachten. Und da sind wir auch wieder bei der Frage, ob es denn nun Spaß macht. Tja – eigentlich nicht.
Das liegt aber nicht daran, dass es kein gutes Spiel wäre. Das Kampfsystem ist toll, fordernd und fast immer fair. Nur ein Kampf zum Ende des Spiels hat mir ein paar graue Haare wachsen lassen. Dennoch machen sie tierisch viel Spaß und jeder Hieb mit dem Schwert fühlt sich mächtig an. Jeder Treffer vermittelt das Gefühl, richtig Schaden angerichtet zu haben. Dieser Umstand sorgt für ein richtig schönes Gefühl, dass man etwas geschafft hat, der Gegner wirklich da war und erfüllt den Spieler mit Stolz. Zumindest passiert das bei mir.
Abseits der Kämpfe gibt es immer wieder Rätsel-Passagen, die sich oft perspektivische Tricks zunutze machen. So kann man bisweilen Dinge nur sehen, wenn man sich am richtigen Ort befindet, wodurch sie sich in der Welt manifestieren. Wer God of War 3 gespielt hat und sich an Heras Garten erinnern kann, weiß was ich meine. Diese Passagen sind gut, um wieder runterzukommen, sich von Kämpfen zu erholen und die Dinge im eigenen Tempo anzugehen. Denn es gibt auch durchaus Passagen, in denen wir gehetzt werden. Hin und wieder kann eine von Senuas Visionen mehr oder weniger Gestalt annehmen und dann heißt es: Tu, was auch immer du tun musst – aber tu es schnell!
Obwohl diese Stellen im Spiel mitunter etwas frustrierend sein können und bisweilen einen repetitiven Charakter haben, zeigt sich immer wieder, wie wichtig sie doch für das Spiel und die Geschichte waren. Alles hat einen Sinn. Das geht sogar so weit, dass ich am Ende nicht so ganz kapiert habe, was eigentlich passiert ist, mir aber sicher sein kann, dass es trotzdem großartig war. Und auch wer seine grauen Zellen nicht anstrengen möchte – auch ohne Hirn ist es ein Erlebnis, das sich erlebt gehört!
Warum macht es dann nur bedingt Spaß? Weil es zu gut gemacht ist!
Hellblade fängt perfekt das ein, was Senua Angst macht, was sie begleitet und was sie innerlich auffrisst. Schnell ist die Sympathie da, die Empathie und schnell leidet man mit Senua mit. Grafik, Sound, Stimmen, Präsentation – all das sorgt dafür, dass man blitzschnell in die Welt von Hellblade gesogen wird und immer wieder Pausen machen muss, um sich von dem Erlebten zu erholen. Dann ist es wieder Zeit, auf einem Blumenfeld in der Sonne mit einem Welpen umher zu hüpfen. Hellblade ist nichts für schwache Nerven und kann tatsächlich seelisch belastend sein. Die Krankheitserscheinungen wurden mit ehemaligen Patienten und Psychologen erarbeitet und stellen sehr real dar, worunter manche Menschen leiden. So gut habe ich es noch nie irgendwo erlebt. Egal wo. Auch im besten Film noch nicht.
Also nein – Hellblade macht eigentlich keinen Spaß, denn der eigentliche Spaß im Spiel ist es, keinen Spaß zu haben, sondern mitzufühlen und mit Senua zu leiden. Klingt vielleicht ein bisschen überzogen aber ich denke, dass die Meisten, die es selber gespielt haben (nicht nur zugeguckt!) ähnlich denken. In diesem Zusammenhang sei auch noch erwähnt, dass ich empfehle, es alleine zu spielen. Ihr könnt noch so tolle Freunde haben – lasst euch nicht dazwischenreden oder die Atmosphäre kaputt machen. Macht das Handy aus, zieht das Telefon aus der Wand und deaktiviert das Steam-Overlay! Schweigt, spielt und seid gefesselt!
Hellblade ist eines der besten Spiele der vergangenen Jahre und ein einmaliges Erlebnis. Es ist intensiv, beängstigend, technisch, grafisch und akustisch auf allerhöchstem Niveau und fesselt von der ersten Minute an! Hellblade ist eine Klasse für sich. Glaubt mir nicht, guckt keine Videos an – kauft es und spielt es selber! Es gibt nichts vergleichbares.
Wer will, nimmt dafür meinen Humble-Link. Pesti sagt Danke! 😉 Hellblade kaufen