Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der ich Sendungen wie „Wer wird Millionär?“ gut gucken konnte. Es machte Spaß, mit den Kandidaten zu raten und nachzudenken. Zu dieser Zeit stand die Show im Mittelpunkt. Die Fragen und Antworten waren wichtig und einzig und allein darum drehte sich alles. Heute ist das anders.
Zuerst bemerkte ich eine Veränderung bei „Schlag den Raab“, welches heute ja tragischerweise nicht mehr läuft. Das war großartiges Fernsehen. Hauptsächlich aber wegen Raab selber, von dem sowieso grundsätzlich alles unterhaltsam ist. Jedenfalls wurde da mit der Zeit das Vorstellen der jeweiligen Kandidaten extrem in die Länge gezogen und aufs äußerste zelebriert. Das ging so weit, dass ich mit der Zeit wusste, ich brauche erst eine Stunde nach dem eigentlichen Start der Sendung einschalten, weil bis dahin eh nichts passiert. Das ist keine Übertreibung – es war wirklich so.
Hin und wieder passierte es aber natürlich trotzdem, dass ich etwas von dem, was vor der eigentlichen Show passierte, mitbekam und es sorgte dafür, dass ich diese erste Stunde noch weniger gucken wollte. Leider übertrug sich diese Eigenschaft auf so gut wie jede Quiz-Sendung, die es heute noch gibt.
Der Punkt ist: Da Stefan Raab sehr oft sehr dominant gewonnen hatte, wurden scheinbar absichtlich Kandidaten gesucht, die extrem gut sind. So grundsätzlich. In allem. Da kam dann also der Kampfjet-Flieger, der im Ausland studiert hat und dort mit 1,0 abgeschlossen hat, Jura und Medizin studierte, um dann in Afrika in einem Kriegsgebiet eigenhändig einen Brunnen zu graben, eine Schule zu bauen und jeden Monat die Hälfte seines Gehaltes zu spenden. Als er dann nach Deutschland zurückkam, ging er jeden Abend in die Suppenküche, um Obdachlosen ihr Essen auszugeben, hat Kindern armer Familien Bücher vorgelesen und war zusätzlich bei der freiwilligen Feuerwehr tätig. All das, während er, ohne es gelernt zu haben, ein Haus gebaut, geheiratet und zwei Kinder gezeugt hat. Er ist sportlich, gesund, intelligent und sieht gut aus. Seine Frau ist ein Model und seine Kinder sind sein ganzer Stolz.
Versteht ihr, was ich meine? In diese Sendungen kommen heute nur absolute Vorzeigebürger. Es ist abartig, wie sehr das Leben dieser Kandidaten in den Vordergrund gezogen wird. Sie werden als perfekt dargestellt, ohne jeden Makel, fast schon wie bei einer Miss-Wahl. „Oh, sie ist schön, intelligent und politisch aktiv.“ Ja, klar.
Es geht überhaupt nicht mehr um die Sendung, die Fragen und das Rätseln, sondern darum, zu feiern, wie großartig diese Kandidaten doch sind. Und dann kommt Stefan Raab um die Ecke und macht sie total fertig. Er hat den Extrem-Sportler im Fußball zerstört, wusste mehr als die hoch studierten Gedankenkünstler und war mit mehr Ehrgeiz dabei als jeder Kandidat, obwohl er überhaupt nichts zu gewinnen oder zu verlieren hatte. Deshalb war „Schlag den Raab“ toll! Da konnte man die Vorstellungen noch ein bisschen weg ignorieren. Ohne Raab geht das heute nicht mehr.
Guckt doch mal eine Folge von „Wer wird Millionär?“ oder von „Genial daneben“. Dort werden die Leute viel ausführlicher vorgestellt, als nötig wäre. Was interessiert es mich denn, wer diese Leute sind oder was ihre Motivation war? Ich muss keine interessante Geschichte aus ihrem Arbeitsleben oder eine witzige Anekdote aus ihrer Kindheit hören!
Können wir uns nicht einfach wieder darauf konzentrieren, worum es in solchen Sendungen eigentlich geht, anstatt eine Art Free TV-Facebook zu erstellen, wo die Anerkennung der Zuschauer gegenüber dem Kandidaten mehr wert ist als der Unterhaltungsfaktor der Sendung? Es kommt mir so vor, als ob das Verhalten im Internet, wo Likes, Daumen nach oben, Retweets und Shares scheinbar alles sind, ins echte Leben überschwappt und jeder Mensch, der im Fernsehen auftritt, erst mal gefeiert werden muss, damit sein fragiles Selbstbild nicht leidet. Kommt denn niemand damit klar, nur einmal nicht bejubelt zu werden?
Es tut mir leid aber so lange der Kandidat und sein Privatleben in Quiz-Sendungen so sehr in den Vordergrund gezogen wird und sie immer als Musterbürger dargestellt werden, kann ich an solchen Formaten einfach keinen Spaß mehr haben. Das ist schade. Wirklich.
Da hätte ich einen Tipp.
18:00 ARD
Wer weiß denn sowas?
Gefragt, gejagt.
Schnörkellos, witzig ohne platt zu sein. Keine monströsen Gewinnsummen.
Einfach nur Fragen und Antworten.
Und für die arbeitende Bevölkerung auch noch alles in der Mediathek nachholbar.
Ja, da bin ich deiner Meinung. Das macht noch Spaß!