Oh weh, hoffentlich ist die Welt dazu bereit, die Meinung eines fast dreißigjährigen Casual-Gamers zum kommenden Pokémon-Spiel zu hören. Wir werden sehen.
Die neuen Spiele aus dem Pokémon-Universum erscheinen dieses Jahr im November mit den Editionen Schwert und Schild. Die wurden jetzt schon vor einiger Zeit angekündigt und kürzlich gab es längere Trailer und einige neue Pokémon wurden auch enthüllt. Vor wenigen Tagen gab es dann eine weitere offizielle Aussage zu den neuen Spielen, die vielen Spielern extrem sauer aufgestoßen ist, und ich möchte meinen Senf dazu geben.
In Pokémon ging es, abseits vom Besiegen der stärksten Trainer im Spiel, als ultimatives Endziel immer darum, alle Monster im Spiel zu fangen. Mit dem Start der Serie, Ende der 90er Jahre, befanden wir uns bei 151 Pokémon. Diese Zahl stieg mit jedem neuen Teil der Serie weiter, auf 252, 386, 493 und steht heute inzwischen bei 809.
Diese große Zahl an Pokémon bedeutet, dass das ultimative Ziel in immer weitere Ferne rückt und mit jedem neuen Spiel immer schwerer wird. Interessant zu erwähnen ist außerdem, dass natürlich nicht in jedem Spiel jedes Pokémon erscheint, weshalb man teilweise alte Spiele von 2003 zu Rate ziehen muss, um bestimmte Monster von dort auf neue Spiele zu übertragen. Über viele Umwege und Zusatz-Software hat Nintendo diese Wege aber stets offiziell offen gehalten, um es Spielern zu ermöglichen, alles zu komplettieren. Das war auch möglich, indem alte Spiele für neue Konsolen neu aufgesetzt wurden und alte, unübertragbare Pokémon so wieder für neue Spiel verfügbar gemacht wurden. Das ist alles in allem ein toller Service.
Diese neue Ankündigung jedenfalls, die vor wenigen Tagen die Runde gemacht hat, hat viele Spieler empört und empört sie noch. Die Aussage lautete: Nicht alle Pokémon lassen sich auf die neuen Spiele übertragen. Sie sind praktisch in sich geschlossene Ökosysteme, nur mit den neuen Monstern und einer handselektierten Auswahl an alten Pokémon.
Die Hardcore-Fans sind empört, weil die Zahl an insgesamt verfügbaren Pokémon in den neuen Spielen nicht deutlich über die 900er-Marke gehen wird, sondern sich wohl eher bei so um die 200 einpendelt. Nehmen wir mal an, es werden ca. 100 neue und 100 alte. Das bedeutet, wir haben rund 700 Pokémon, die in den neuen Spielen keinen Auftritt haben werden.
Das ist ärgerlich aus mehreren Gründen. Zunächst handelt es sich um das erste Spiel der Hauptreihe, das nicht auf einem Gameboy-ähnlichen System erscheint. Die Spiele erscheinen für die Switch, was bedeutet, der Kindheitstraum vieler Leute, die mit Pokémon aufgewachsen sind, bewahrheitet sich, indem man sich seine Monster endlich daheim auf dem Fernseher in einem tollen dreidimensionalen Spiel ansehen kann. Das wollten wir schon zu N64 Zeiten! Es ist also durchaus verständlich, wenn man sich schon im Vorfeld darüber aufregt, dass der eigene Favorit mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit diesen Auftritt überhaupt nicht spendiert bekommt.
Der nächste ärgerliche Punkt ist natürlich, dass wir mit dem Sprung auf eine richtige Konsole zwei Dinge bekommen: mehr Speicherplatz und viel mehr Rechenleistung. Man möchte meinen, niemals waren die Bedingungen so gut wie jetzt, fast 1.000 individuell erstellte Monster darzustellen. Die Hardware ist vorhanden! Da ist das Unverständnis noch viel größer als wenn man sagen würde, der Speicherplatz auf dem mobilen Gerät reicht einfach nicht mehr aus!
Nintendo selbst begründet diese Entscheidung und ließ sogar durchsickern, sie haben mit einer gewissen Empörung gerechnet. Es geht ihnen darum, dass für den Release einfach nicht genug Zeit bleibt, alle Pokémon A) zu modellieren und B) zu animieren. Dazu kommt (angeblich) die Bestrebung, die Spiele besser ausbalancieren zu wollen. Dieser Anspruch war in der Vergangenheit aber noch nie in diesem Umfang vorhanden. Einfach gesagt: Sie versuchen, sich die Arbeit etwas leichter zu machen. Das kann natürlich auch für den Spieler positiv werden, wenn wir über aufwendigere Animationen, größere Welten und allgemein besser choreografierte Abenteuer nachdenken, die durch die zusätzlichen Ressourcen möglich werden.
Der Ärger ist groß, der Aufschrei noch größer. Ich sehe das aber etwas anders, als jemand, der die Vorstellung, alle Pokémon zu fangen, schon ab 500 Monstern einfach absurd fand.
Ich freue mich auf ein modernes Spiel mit einer großen aber nicht überwältigenden Anzahl an Pokémon. Ich sehe das als jemand, der mit dem regionalen Pokédex immer zufrieden war. (Der regionale Pokédex war seit jeher eine Auswahl, eine Selektion an den Pokémon, auf die das Hauptaugenmerk gelegt werden sollte. Der nationale Pokédex, mit allen Monstern, wurde immer erst nach dem Beenden der Hauptstory freigeschaltet.)
Mir hat es immer gereicht, den regionalen Dex zu vervollständigen. Damit ist man mindestens an die 50-60 Stunden beschäftigt, auch bei den alten Spielen auf dem Gameboy. Wer hat denn heute die Zeit, hunderte Stunden in ein Spiel zu investieren, dass mit immer länger laufender Spielzeit immer weniger in Spaß ausartet? Ich sage das so hart, weil es bei fast eintausend (!) Monstern einfach zu Arbeit wird. Zudem muss man irgendwann einfach die Lösungen nachgucken, weil man sich nicht jede Bedingung für jedes Pokémon merken kann, die erfüllt werden müssen, um es zu fangen, zu besiegen oder zu entwickeln.
In der heutigen Zeit, in der Spiele kommen und gehen, schlägt Nintendo ganz bewusst eine neue Marschrichtung ein. Ich war auch erst darüber überrascht und verärgert, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger sah ich es als Problem. All die Leute, die die Mistgabeln und die Fackeln ausgepackt haben, sollten sich mal kurz ernsthaft fragen, wann sie das letzte Mal einen nationalen Pokédex wirklich vervollständigt haben. Wann sie das letzte Mal ein neues Spiel eben nur bis zu seinem normalen Ende gespielt haben, anstatt noch ein paar weitere hundert Stunden herauszuquetschen.
Vielleicht werde ich auch alt. Vielleicht kann ich mich nicht mehr dauerhaft darüber aufregen. Ich habe die Remakes der alten Spiele gespielt, die natürlich nur die alten Pokémon enthalten, die zum Zeitpunkt des Originalspiels verfügbar waren. Und ich fühlte mich in keinster Weise eingeschränkt. Ich fand sogar oft die Tatsache, in einem brandneuen Spiel alten Monstern zu begegnen, fast etwas faul. Ich wollte etwas neues entdecken, unbekannte Pokémon jagen und nicht wissen, wann es sich wie entwickeln wird. Das ist meiner Meinung nach der Zauber dieser Serie und das, was durch die neue Regelung nicht abgeschwächt, sondern verstärkt wird. Ich glaube, dass der Sammeltrieb nur eine ganz kleine Minderheit der Spieler wirklich ernsthaft betrifft. Der Rest regt sich auf, ohne wirklich Grund dazu zu haben.
Übrigens: Die 200 Pokémon, die insgesamt verfügbar sein werden, sowie die rund 700 alten Monster, die nicht verfügbar sein werden, sind natürlich rein fiktive Zahlen. Niemand, wirklich NIEMAND hat behauptet, dass mehr als von mir aus 20 Pokémon ausgeschlossen sind. Am Ende des Tages könnten eine handvoll legendärer Pokémon nicht enthalten sein und das war’s. Das erscheint unwahrscheinlich aber wir wissen es effektiv nicht! Also: durchatmen! Und abwarten. Bis November ist es nicht mehr lang…