Filmfreigaben, die nicht von dieser Welt sind

Vor ein paar Wochen war Filmbörse in Berlin und ganz traditionell decke ich mich auf diesem Flohmarkt für Filme ordentlich ein. Es handelt sich hierbei um einen abgeriegelten Bereich, zu dem nur Volljährige Zugang bekommen. Dadurch dürfen auch diverse Filme verkauft werden, die keine deutschen Freigaben bekommen haben. Bedeutet also, man kommt hier ganz leicht ohne hohe Importkosten an teils indizierte Filme.

Natürlich sammel ich alleine durch mein Interesse an dem Medium, an Horror- und Splatterfilmen schon im Vorfeld viele Informationen, lerne neue Titel kennen und meine Wunschliste wächst. Auch dieses Mal konnte ich wieder viele Filme ergattern, die ich gerne sehen möchte. Vor wenigen Minuten nun habe ich einen dieser Filme gesehen und war schockiert.

Es handelt sich um den Film Eat. In diesem Film geht es um eine Frau, die verzweifelt versucht, Modeljobs zu bekommen oder Angebote zum Schauspielern aber immer wieder scheitert. Langsam aber sicher bricht ihr ganzes Leben über ihr zusammen und sie beginnt, Selbstkannibalismus zu begehen. Falls es dieses Wort überhaupt gibt. In anderen Worten – sie fängt an, sich selbst zu essen.

Dieser Plot an sich ist grausam, zweifellos. Aber ihr müsst verstehen, was ich sonst für Filme gucke und dass ich dachte, ich sei ziemlich abgehärtet. In meinem Regal tummeln sich einige Filme, die so in Deutschand schon lange nicht mehr oder noch nie vertrieben werden durften. Viel Blut, viel Gedärme, viel Brutalität. Wer sich ein Bild machen will, kann hier einen Blick auf meine Filmsammlung werfen.

Jedenfalls war ich der Meinung, dass das eine durchaus erfrischende Idee ist. Im Vorfeld hörte ich aber, dass Eat mehr ein Drama ist und die großen Splatterszenen, wie man sie vielleicht erwarten würde, nicht zu 100% stattfinden. Der Film hat auf seinem Cover das FSK 18 Logo prangern, inklusive einer Aufschrift, die impliziert, der Film sei ungeschnitten. Und das ist er sogar. Ein Blick in die Datenbank der FSK zeigt zudem, dass er ungekürzt sogar eine FSK 16 bekommen hat! Bei einem Film mit solch einer Handlung werden aber meist Trailer für Filme mit einer FSK 18 auf das Medium gepackt, um dem ahnungslosen Kunden eine Härte vorzugaukeln, die evtl. gar nicht da ist. Wie auch immer – Eat ist ab 16!

Und nun sitze ich da, ein eingefleischter Horrorfilmfan, der so ziemlich alles verfügbare im Genre gesehen hat und ich hab fast zitternde Hände nach dem Anschauen dieses Machwerks! Es war ein guter Film, zweifellos! Aber ich muss mich wirklich wundern, wie die Prüfer der FSK darauf kommen, diesem Film eine Jugendfreigabe zu erteilen. Er ist extrem realistisch und die Selbstverstümmelungen kann man in ihrem Schmerz extrem nachvollziehen. Sie kaut sich anfags nur an den Fingern und zieht sich dann plötzlich einen langen Streifen Haut ab. Diesen Schmerz kann man mitfühlen. Dieses Erlebnis ist für den Zuschauer viel verstörender, grausamer und brutaler als jeder indizierte Film, in dem einem Zombie der Kopf abgeschlagen wird. Das ist ein Umstand, mit dem wir nichts anfangen können. Diese Verstümmelungen, Schnitte und Bisse am eigenen Körper mit anzusehen hingegen, lässt sich sofort auf sich selbst übertragen und ist somit ein extrem intensives und unangenehmes Erlebnis.

Unter den Filmen, die ich gekauft habe, war auch Inglorious Zombie Hunters. Hier habe wir Splatter, fliegende Gliedmaßen und geköpfte Zombies. Eine besonders blutige Szene zeigt, wie das Gesicht einer Frau mit literweise Blut bespritzt wird. Naja – wo das aber herkommt, sieht man nicht. Es ist eine überzogende, unrealistische, distanzierende Gewaltdarstellung. Sowas lässt mich ziemlich kalt. Inglorious Zombie Hunters muss man aber aus Österreich importieren, weil er keine deutsche Freigabe bekommen hat. Eat hingegen zeigt Gewalt in zunächst kleinen Maßen gegen den eigenen Körper, wie sie jeder nachvollziehen kann.

Und nun wollen wir mal rekapitulieren: Ein unrealistischer Zombiestreifen bekommt keine Freigabe, weil viel Blut fließt aber eine geistig kranke Frau in einem verstörten Umfeld, die sich selber aufisst, es selber ekelhaft findet und weder zur Polizei noch ins Krankenhaus geht, bekommt eine Jugendfreigabe ab 16? Wo bleibt denn da die Logik? Inglorious Zombies Hunters kann aufgrund seiner überzogenen Thematik locker eine Freigabe für den deutschen Markt bekommen – Eat hingegen hätte von mir nie eine Freigabe bekommen und schon gar nicht ab 16 Jahren! Diesen Film würde ich niemandem zeigen, wenn ich mich als Hardcorefan teilweise dabei erwischen muss, wie ich nicht mehr hingucken konnte, weil es so grausam mit anzusehen war!

Schlussendlich sage ich nur: Seid bloß vorsichtig, was ihr euch für Filme kauft! Die Freigabe bedeutet nicht immer alles – Eat hat mich mehr mitgenommen als alle Filme der lezten Jahre seit The Human Centipede. Höchstens Srpski Film kann da noch mithalten. Eventuell…

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