Zunächst ein bisschen Vorab-Info, damit die Situation mehr Sinn ergibt.
Ich bin ein Mensch, der gerne in seinem gewohnten Umfeld ist. Das betrifft praktisch jede Aktion, die ich in meinem normalen Alltag durchführe. Wenn ich mich irgendwo nicht auskenne, verhalte ich mich nicht so, als sei ich zu Hause. Durchaus verständlich, mag man meinen, doch bei mir zieht sich das bis hin zu normalen menschlichen Bedürfnissen. Wenn ich irgendwo fremd bin, vermeide ich es z.B. meist, die Toilette aufzusuchen, es sei denn, es ist für meine Gesundheit unerlässlich. Bewaffnet mit diesem Wissen möchte ich euch bitten, mit mir in einen ICE zu steigen.
Ja, ich schreibe schon wieder über meine zahlreichen beruflichen Reisen, doch dieses Mal geht es explizit um den Weg dorthin und nicht den Schwachsinn, der mir dort vor Ort passiert ist. Wie auch immer – Pesti im Zug. Knappe fünf Stunden. Ruhebereich. Wer es nicht kennt – hier ist Ruhe zu halten. Die Leute schlafen, unterhalten sich nicht, telefonieren ist verboten und selbst lautes Musikhören über Kopfhörer ist untersagt, weil sie nach außen strahlen könnten. Alles in allem ein ruhiger und friedlicher Ort.
Pesti will nicht auffallen. Vor allem deshalb nicht, weil er weiß, wie nervig es ist, wenn plötzlich jemand mit einer ULTRA LAUTEN Tüte vom Bäcker ankommt und das verdammte Brötchen wirklich mit solchem Getöse auspackt, wie es auch in einer normalen Situation außerhalb des Ruhebereiches nie im Leben nötig gewesen wäre. Scheinbar ist Reflexion des eigenen Verhaltens gegenüber anderen nicht angeboren. Schade. Vielleicht gibt’s irgendwann ne Salbe dafür.
Wie auch immer – ich vermeide es, in diesem Zug überhaupt etwas zu essen, denn es wird immer ein raschelndes Papier, ein unnatürlich knuspriges Brötchen oder ein bröselnder Keks dabei sein, der mir in diesem Moment Unbehagen bereiten würde, wenn dieses Geräusch von Anderen ausgeht, weshalb ich es selber auch nicht mache. Das Ende vom Lied ist: Ich trinke mich mehr oder weniger satt.
An diesem Punkt muss ich kurz einhaken, denn der ein oder andere Leser mag jetzt der Auffassung sein, die Anforderung des Ruhebereiches gehen mir auf die Nerven. Das ist überhaupt nicht so! Ich finde das sehr angenehm und bin gerne bereit, ein paar Einschnitte in mein eigenes Verhalten hinzunehmen, wenn das Ruhe und Frieden für mich und alle anderen bedeutet. Ich buche absichtlich diesen Wagon. Ich will es so!
Jedenfalls dürfte klar sein, was jetzt kommt, denn ein paar Liter Flüssigkeit zu sich zu nehmen und die ganze Zeit zu sitzen und das über einen Zeitraum von fünf Stunden geht auch an einem jungen Mann unter 30 nicht spurlos vorbei. Die Natur rief. Laut. SEHR laut!
Ok, was soll’s. Hilft alles nichts. Ich, unerfahren wie Hulle, schleiche aus dem Wagon und finde tatsächlich eine Toilette direkt zwischen dem nächsten Wagon. Super! Nicht mal ne Schlange. Also rein und die heutige Technik bewundert. Wo das Zeug aus einer Toilette eines Fahrzeuges, das sich mit 250 km/h bewegt, bleibt, ist auch ein Rätsel. Vielleicht auch nicht und ich will es einfach nicht wissen und unschuldig sterben. Wer kann mir das verübeln? Aber ich komme vom Punkt ab.
Die Toilette selbst, sowie sämtliche Armaturen, Waschbecken, Ablagen und alles, was erstaunlicherweise gut platziert und ohne Stolperfallen in diesem winzigen Raum Platz findet, besteht aus blankem Edelstahl. Ein Anblick, den man nicht gewohnt ist – nichts weißes. Gar nichts. Höchstens das Klopapier. Keine Ahnung. Vielleicht war es auch rosa mit Blümchen. Oder dieses braune recycelte Zeug. Es kann aber nicht so schlimm gewesen sein, wenn ich mich nicht daran erinnere. Abseits davon wirkte alles recht normal. Die Technik hinter der eigentlichen Kloschüssel war aber faszinierend.
Wie bereits erwähnt, baute sich in mir seit mehreren Stunden ein Wasserhaushalt von mindestens zwei Litern auf, der während meines törichten Versuchs, den Hunger einfach weg zu trinken, entwickelt hatte. Es sollte nicht nötig sein, zu erwähnen, dass ich eine beträchtliche Menge an Flüssigkeit verlor. Zu meinem Erstaunen verhielt sich die trotz allem ungewöhnlich kleine Toilettenschüssel anders, als ich das seit 28 Jahren gewohnt war. Anstatt dass der Wasserspiegel gleich blieb, stieg er an. Stark! Und es nahm kein Ende. Ich wusste, da ist noch viel mehr, was raus muss und der Wasserspiegel stieg immer weiter an. Zu diesem Zeitpunkt war klar: Wer eine mehr als übervolle Blase hat oder vielleicht das doppelte meines Volumens auf die Waage bringt, schafft es durch pure Körperflüssigkeiten, dieses Klo zum Überlaufen zu bringen.
Kennt ihr das – wenn man so doll pinkeln muss und endlich Erlösung findet, dass man denkt, es hört gar nicht mehr auf? Der Druck ist weg aber es hört einfach nicht auf. Da kommt immer noch mehr. So viel, dass man irgendwann den Glauben daran verliert, dass es überhaupt aufhört. Irgendwann nahm es Gott sei Dank doch ein Ende. Das Resultat machte mich ehrfürchtig und ein bisschen stolz. Die Frage war jetzt (oder eigentlich nicht, denn ich war der Meinung, ich wüsste was passiert) – was passiert, wenn man die Spülung drückt? Ich war davon ausgegangen, die Klappe geht auf, damit die bis zu diesem Zeitpunkt aufgefangene Masse erste einmal entkommen kann. Nö. Es spülte. DAZU! ES SPÜLTE ZUSÄTZLICH! Und die Schüssel wurde NOCH VOLLER!
Ich blickte voll Horror in die nunmehr stark schwappende Schüssel, denn wir dürfen nicht vergessen, dass ich mich nach wie vor in einem fahrenden Zug befand. Vielleicht muss ich euch jetzt enttäuschen, denn es gab kein Unglück. Nachdem es spülte, öffnete sich die Klappe und mit einem unerwarteten, schlürfenden Geräusch war alles weg und es spülte erneut. Klappe zu, eine kleine Pfütze frisches Spülwasser schmückt die Schüssel.
Trotz dieser beängstigenden Erfahrung muss ich sagen, dass mein Aufenthalt auf dem WC der Deutschen Bahn einigermaßen angenehm war und ich gerne wieder zurückkehren werde. Immerhin geht der Wasserhahn weder nach zwei Sekunden aus, noch katapultiert er das Wasser mit voller Power direkt auf die eigene Hose. Das ist doch auch etwas.